Runderneuerte Reifen: Wie sicher sind Recycling-Pneus? Lohnt sich die Ersparnis gegenüber Neureifen?

Über runderneuerte Reifen haben schon viele Autofahrer nachgedacht oder zumindest von dieser günstigen und nachhaltigen Alternative gehört. Das Reifen-Recycling gewinnt zunehmend an Aufmerksamkeit im PKW-Bereich, dabei ist das Prinzip „Runderneuerte Reifen“ bei Weitem keine Innovation. Dennoch beschäftigen sich viele Reifenkäufer jetzt erstmals näher mit dem noch wenig etablierten Produktbereich – wobei viele Fragen und Unsicherheiten aufkommen.

Ist die Skepsis berechtigt? Was hat es mit dem Fertigungsprozess der Runderneuerung auf sich? Können runderneuerte Reifen den rundum neuen Reifen das Wasser reichen oder ist das Glas im direkten Vergleich mit dem konventionellen Reifenkauf doch eher halbleer? Über diese und viele weitere Aspekte der Runderneuerten klärt Goodwheel hier auf. Und so viel sei schon jetzt gesagt: Die Alternative zu Neureifen zeigt sich in bestimmten Punkten von überraschend positiven Seiten wie auch mit überraschend kritischen Aspekten.

Runderneuerte Reifen: Das Prinzip und die Fertigung

Für die Fertigung von runderneuerten Reifen bilden im Kern unbeschädigte Altreifen die Basis. Diese Altreifen werden zum Großteil aufgrund ihres nicht mehr verkehrssicheren Profilzustands ausgemustert, doch die Profilschicht selbst macht nur etwa ein Viertel des gesamten Materials eines Reifens aus. Das entscheidende Element, um aus Altreifen runderneuerte Reifen herzustellen ist deren intakter Unterbau, die sogenannte Karkasse. Karkassen sind das tragende Gerüst, um Luftreifen die nötige Stabilität und Widerstandsfähigkeit zu verleihen. Um dies zu gewährleisten, besteht der Unterbau des Reifens nicht nur aus Gummi und Kautschuk, sondern auch aus ebenso widerstandsfähigen wie flexiblen Gewebeschichten.

Der Produktionsprozess runderneuerter Reifen beginnt mit dem maschinellen Entfernen der alten Laufstreifen, also der ehemaligen Profilschichten der Altreifen. Zuvor werden alle Basisreifen mittels eines speziellen Laser-Messtechnik-Verfahrens, der sogenannten Shearografie auf Fehler und Beschädigungen geprüft. Nur solche Reifen, die dieses Verfahren ohne Auffälligkeiten durchlaufen, kommen als Basis für runderneuerte Reifen in Frage – und durchlaufen den nächsten Schritt, das Rauen.

Während altes Gummi abgetragen wird, erhält die Karkasse im gleichen Zuge eine raue Oberfläche, um die dann folgenden, neuen Gummimischungen haltbar aufzutragen und eine sichere Verbindung aus Karkasse und runderneuertem Profil zu gewährleisten. Der neue Auftrag und damit der fertige runderneuerte Reifen kann je nach Gummimischung und Profil als Sommer-, Winter- oder Ganzjahresreifen produziert werden. Nach der Zusammenführung aus alter Karkasse und neuer Gummimischung werden die runderneuerten Reifen gewuchtet und die Komponenten per Vulkanisation fest miteinander verbunden.

Runderneuerte Reifen sind kein Neuland– die Erfahrung fährt mit

Auch wenn gerade allgemeine Nachhaltigkeitsdebatten den runderneuerten Reifen eine Menge Aufmerksamkeit einbringen und viele Verbraucher jetzt erstmalig mit dem Prinzip „Runderneuert“ in Kontakt treten, ist das Reifen-Recycling ein längst bewährtes Modell. Neu – oder zumindest verstärkt nachgefragt und massiv weiterentwickelt – ist die Nutzung von runderneuerten Reifen speziell auf PKW bezogen. Im Bereich der LKW-Bereifung ist das Verfahren aufgrund von deutlich höherem Materialverschleiß, den damit verbundenen Kosten und der generell massiveren Reifenkarkassen längst Gang und Gäbe. Auch Flugzeugreifen, bestimmte Rennsportreifen sowie Nutzfahrzeugreifen für Landmaschinen sind mitunter runderneuert.

Doch warum hat sich das Vorgehen bei der LKW-Bereifung nicht gleichermaßen für PKW und andere gängige Fahrzeugtypen durchgesetzt? LKW-Reifen sind schon im Kern weitaus robuster und mit mehr Materialeinsatz verbunden, sodass die Runderneuerung auf einer solideren Basis erfolgt und das Einsparpotential erheblich ist. Vielmehr noch wurde das Verfahren, Reifen zu erneuern, bereits in den Nachkriegsjahren rege durchgeführt, war aber aufgrund der Materialien und des Entwicklungsstandes derzeit auch mit vielen Defekten und Mängeln verbunden. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und steigenden Anforderungen an die Verkehrssicherheit rückten Neureifen immer stärker in den Fokus und die Entwicklung runderneuerter Pneus wurde kaum weiterverfolgt.

Diese Vergangenheit spiegelt sich auch heute deutlich wider: Während die Recycling-Quote von LKW-Reifen bei rund 30 % liegt, bewegt sich diese im PKW-Segment bei weniger als 5 %. Angesichts der Vielzahl von Marken und Modellen am Markt der Neureifen ist die Präsenz der runderneuerten Reifen auch von Seiten der Hersteller zurückhaltend: Bezogen auf PKW-Reifen-Runderneuerung ist mit King Meiler in Deutschland nur ein Hersteller auf diesem Gebiet aktiv.

Rund um runderneuert: Sicherheit, Tauglichkeit und Nachhaltigkeit von RE Reifen

Wodurch geben sich runderneuerte Reifen eigentlich zu erkennen? Inwieweit sind sie mit Neureifen vergleichbar und in welchen Aspekten gibt es deutliche Unterschiede?

Jeder für den Straßenverkehr zugelassene PKW-Reifen ist durch eine Aufschrift auf der Reifenflanke gekennzeichnet, das gilt auch für runderneuerte Reifen. Marke und Modell, Reifendimensionen, die Kennzeichnung als Ganzjahres-, Sommer- oder Winterreifen, der Geschwindigkeitsindex und das Produktionsdatum sind neben weiteren Details die grundlegenden Fakten, die der Seitenwand entnommen werden können. Runderneuerte Reifen unterscheiden sich hier insofern, dass die DOT-Nummer nicht wie üblich Monat und Jahr der Erstproduktion, sondern den Zeitpunkt der Runderneuerung angibt. Ferner trägt jeder runderneuerte Reifen vor den Größenangaben die Kennung „RE“, was neben deutschen Interpretation „runderneuert“ auch gleichbedeutend für das englische „retread“ oder „retreaded“ steht.

Eine Herausforderung in der Herstellung von runderneuerten Reifen in Deutschland ist die hier fehlende Gesetzesgrundlage für das Reifen-Recycling. Es besteht kein bindendes Recycling-Gesetz für Altreifen und so müssen die „Fundamente“ der runderneuerten Reifen aus Spanien oder Frankreich bezogen werden. Pragmatisch betrachtet stellen runderneuerte Pneus keinen grundlegenden Unterschied zu handelsüblichen Neureifen dar. Die größte Abweichung liegt in dem gebrauchten Unterbau – Ein Unterschied der in der Produktion etwa 70 bis 80 % weniger Energie-, Erdöl- und Kautschuk-Verbrauch ausmacht!

Hinsichtlich sonstiger Produktionsschritte, Richtwerte und auch gesetzlicher Vorgaben werden Recycling-Pneus nicht anders als Neureifen behandelt. Normen, ISO-Zertifikate, Geschwindigkeitsfreigaben und eine 2-jährige Hersteller-Garantie müssen und können gleichermaßen von den nachhaltigen Alternativ-Reifen erfüllt werden. Wenn es um die Nachhaltigkeit geht, spart die Runderneuerung nicht nur wertvolle Ressourcen, die unter schlechten Bedingungen gewonnen werden. Das Raumehl, das durch die Abtragung der alten Gummischichten anfällt, erhält auch ein zweites Leben, z. B. als Bodenbelag für Spiel- und Sportplätze oder als Beimischung für Flüsterasphalt.

Recycling-Reifen kaufen und sparen. Oder nicht?

Befürworter des nachhaltigen Reifen-Recycling sowie die Hersteller der runderneuerten Produkte sehen diese als gleichwertig zu Neureifen an, auch in Sachen Abnutzung und Langlebigkeit. Doch ist dies wirklich eine objektive Sichtweise?

Der mittlerweile einzige deutsche Anbieter von runderneuerten Reifen für den PKW-Sektor ist die Reifen Hinghaus GmbH aus Dissen am Teutoburger Wald. Unter der Marke King Meiler bietet der Hersteller runderneuerte Sommerreifen sowie Winter-, Ganzjahres- und Spezialreifen. Das Unternehmen zeigt sich sehr transparent in allen Produktionsschritten sowie bereitwillig, bestehende Qualitätsvorgaben nicht nur einzuhalten, sondern merklich zu unter- bzw. überbieten. In informativen Videos aus der Produktionsstätte sowie durch verschiedene Vergleichstests und Medienpräsenzen möchte man bei King Meiler das Wissen über die Produkte teilen, damit Vorurteile abbauen und mehr Vertrauen schaffen. Die Spezialreifen aus der King Meiler Fertigung sind vor allem im aktiven Rennsport-Einsatz zu finden und hier wiederum in der Reifen-Härteprüfung schlechthin: Dem Drift. Wenn runderneuerte diesen Anforderungen gerecht werden, dann können sie es mit dem alltäglichen Straßenverkehr doch locker aufnehmen, oder?

Aus neutraler Perspektive können runderneuerte Reifen auch in unabhängigen Vergleichstests überzeugen. Ein klassisches Manko, das sich in der RE Klasse nahezu universell zeigt, liegt allerdings in hohen Fahrgeräuschen. Das liegt in der Natur der Sache, denn schließlich baut jeder runderneuerte Reifen auf der Karkasse eines anderen Reifens auf. Die Wahrscheinlichkeit, oder besser das Glück, bei einem Satz von vier Reifen für ein Fahrzeug auch viermal die gleiche Basis, das gleiche Altreifen-Modell zu treffen, ist eher gering. Angesichts der allgemeinen Empfehlung, auf ein und demselben Fahrzeug keine Mischbereifung zu fahren, kann diese Tatsache als stichhaltiger Kritikpunkt angesehen werden.

Dennoch gibt es vielfältige und auch nicht zu verachtende Vorteile der runderneuerten Reifen. Nachhaltigkeit spielt in der Gesellschaft ganz allgemein eine immer wichtigere Rolle und viele Autofahrer sehen in der Ressourcenschonung durch Recycling schon lange sehr hohe Priorität. Hier können runderneuerte Reifen mit ihrer beeindrucken Umweltbilanz punkten.

Fazit zu runderneuerten Reifen: Je nach Anforderung eine runde Sache

Ob runderneuerte Reifen den eigenen Ansprüchen genügen? Das verhält sich ähnlich wie die Frage nach Ganzjahresreifen: Jein!

Allemal stellen RE-Pneus durch ihre günstigen Anschaffungskosten eine sinnvolle und ernstzunehmende Alternative zum Kauf von Gebrauchtreifen dar. Schon allein aufgrund der Normen, Zertifikate und der geprüften Qualität sollten runderneuerte Reifen den möglicherweise versteckt beschädigten oder mangelhaften (oft von privat erworbenen) Gebrauchtreifen vorgezogen werden. Ebenso können die Recycling-Schnäppchen made in Germany als „die bessere Wahl“ gelten, wenn es um Vergleiche mit Billigstreifen aus Fernost geht, die schon heute den heimischen Reifenmarkt regelrecht überschwemmen.

Der Bezug zu Ganzjahresreifen kommt an dieser Stelle vor allem deshalb zustande, weil runderneuerte Reifen zwar nicht vorbehaltlos für den alltäglichen Einsatz auf PS-starken SUV und schnellen Sportwagen zu empfehlen sind. Doch vor allem im Kleinwagen-Segment dürfen die Runderneuerten mit einem sicheren Gefühl in Betracht gezogen werden. Fahrzeuge mit wenig Leistung und ein Fahrprofil über kurze Strecken bilden das perfekte Habitat für recycelte Sommer-, Winter und Ganzjahresreifen. Der geschonte Geldbeutel und das gute Gewissen fahren mit.

Das Wichtigste im Überblick

  • Neues Profil auf recyceltem Unterbau
  • Als Sommerreifen, Winterreifen und Ganzjahresreifen
  • 2 Jahre Garantie, alle Normen, Zertifikate und Sicherheitsstandards vergleichbar zu Neureifen
  • RE-Kennzeichen auf Reifenflanke
  • Besondere Nachhaltigkeit, ca. 70-80 % Ressourceneinsparung
  • Preisgünstig (Alternative zu Billigreifen und 2. Hand)
  • Grenzbereich-Erfahrung in Rallye, Drift und anderen Motorsport-Disziplinen
  • Bewährtes Konzept abseits PKW (z. B. LKW, Nutzfahrzeuge/Landmaschinen, Flugzeugreifen)
  • Laute Fahrgeräusche
  • Meist Mischbereifung auf einem Fahrzeug (in Bezug auf Karkassen)
  • Gute Wahl vor allem für leistungsschwache Kleinwagen sowie innerorts und auf Kurzstrecken